(WG) Lausanne / 10.12.2020 - Am 26. September 2019 entschied das Bundesgericht zugunsten einer Automobilistin, dass die privaten Aufzeichnungen einer Dashcam, die sie bei mehrfachen, teils groben Verkehrsregelverletzungen gefilmt hatte, nicht gegen sie verwertbar sind (BGE 146 IV 226).
Die Staatsanwaltschaft hatte die Automobilistin beim Bezirksgericht Bülach angeklagt, welches sie mit einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen à CHF 150.- und einer Verbindungsbusse in Höhe von CHF 4'000.- bestrafte. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte das Urteil, doch das Bundesgericht hob die Verurteilung auf.Die Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit privaten Dashcams stelle ein heimliches Bearbeiten von Personendaten dar, welches dann widerrechtlich sei, wenn damit keine schwere Straftat gefilmt werde.Nicht zu den schweren Straftaten zählen laut Bundesgericht Übertretungen (welche allein mit Busse bestraft werden) oder Vergehen (welche mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden).Der beschuldigten Automobilistin blieb somit auch ein Führerausweisentzug von mindestens 3 Monaten erspart.
Kurz darauf bestätigte das Bundesgericht diese Rechtsprechung in einem Fall, bei dem es um ein Überholmanöver ging: Ein Automobilist hatte einen E-Mofa-Fahrer ausgebremst und während 1.5 Sekunden an den Strassenrand abgedrängt; der E-Mofa-Fahrer hatte das Geschehen mit seiner GoPro-Kamera gefilmt (BGE 147 IV 16).
Auch wenn das Bundesgericht damit der Verwertung von privaten Videoaufzeichnungen für den grössten Teil der Strassenverkehrsdelikte einen Riegel vorschiebt, ist zu beachten, dass dies nicht für die Qualifiziert Grobe Verkehrsregelverletzung gilt, welche als Verbrechenstatbestand ausgestaltet ist und mit Freiheitsstrafe von einem bis vier Jahren bestraft wird oder neuerdings unter bestimmten Umständen auch nur mit Geldstrafe (seit 1.10.2023).
Eine Qualifiziert Grobe Verkehrsregelverletzung begeht, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen. Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt nach Gesetz dann vor, wenn diese wie folgt überschritten wird um:
- mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt
- mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt
- mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt
- oder mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.
Die Qualifiziert Grobe Verkehrsregelverletzung hat in aller Regel den Entzug des Führerausweises für mindestens 2 Jahre zur Folge (seit 1.10.2023 ist bei gewissen Umständen eine Reduktion um maximal 12 Monate möglich) und zieht meist auch die gutachterliche Überprüfung der Fahreignung nach sich, was mit erheblichen weiteren Kosten verbunden ist. Im Strafverfahren muss der beschuldigte Fahrzeugführer zudem anwaltlich begleitet werden.